Dr. Martin Runge (Die GRÜNEN/BÜNDNIS'90), Fraktionsvorsitzender, bayerischer Landtag
Die Münchner S-Bahn, Rückgrat des Öffentlichen Verkehrs im Großraum München, leidet unter Engstellen und Zwangspunkten im Netz wie Eingleisverkehren, Mischverkehren oder Fahrstraßenkreuzungen. Ein großer Engpass ist zweifellos die Stammstrecke zwischen Pasing und dem Ostbahnhof. Eine weitere Strecke als Ergänzung/Alternative und auch als Puffer für den Störfall ist hier notwendig.
Die zweite Röhre, eng parallel geführt zur bisherigen Stammstrecke, so wie sie von DB AG, Landeshauptstadt München und Staatsregierung favorisiert wird, halten wir allerdings für eine grottenschlechte Lösung. Abgesehen davon, dass die Planfeststellungsunterlagen unvollständig, fehlerhaft und in wesentlichen Teilen auch widersprüchlich sind und die Planungen per se gravierende Fehler, so z.B. solche in der Gleisgeometrie, aufweisen, muss festgehalten werden, dass der Nutzen des Projektes in keinem akzeptablen Verhältnis zu den Kosten in Milliardenhöhe stehen würde. Laut Planfeststellungsunterlagen soll die Röhre eine Steigerung des ÖV-Anteils von 36,2% auf 38,2% im Stadt-Umland-Verkehr und von 48,5% auf 48,9% im Stadtverkehr bringen. Für hundertausende von Fahrgästen würde es jedoch aufgrund der Streckenführung und der geringen Zahl der Halte- und Verknüpfungspunkten beim als optimal erklärten Betriebsprogramm zu massiven Verschlechterungen in Form von neuen Umsteigezwängen und Taktausdünnungen kommen. So würden 35 Stationen die Direktverbindung zu wichtigen Innnenstadthaltepunkten wie Donnersberger Brücke, Stachus oder Rosenheimer Platz verlieren. Für 20 Stationen käme es in der Hauptverkehrszeit zu Taktverschlechterungen (vom 10- auf den 15-Minuten-Takt bzw. vom 20- auf den 30-Minuten-Takt), 32 Stationen würden in der Spätverkehrszeit nur mehr im 30-Minuten-Takt bedient werden.
Brandschutz- und Sicherheitskonzept weisen gravierende Mängel auf. So sind die Flucht- und Rettungswege sehr aufwendig und absurd kompliziert. Der Abstand von Rettungsschacht zu Rettungsschacht ist mit bis zu 641 Metern, viel zu lang. An den Stationen dauert es viel zu lange, bis die Fahrgäste in raucharme bzw. rauchfreie Bereiche gelangen.
Bereits jetzt liegt die offizielle Kostenschätzung für zweite S-Bahn-Röhre bei zwei Milliarden Euro, weitere Kostensteigerungen liegen auf der Hand. Die Gelder in Milliardenhöhe fehlen dann zur Finanzierung und Realisierung zahlreicher dringend notwendiger Nahverkehrsprojekte in ganz Bayern, so auch in München und der Region.
Die Belastungen und der Ärger, die über viele Jahre Bauzeit gegeben wären, der Staub, Dreck und Lärm für die Anwohner über viele Monate bzw. teilweise über viele Jahre, für die Arbeiten im Bereich des Orleansplatzes sind laut Bauzeitenplanung 62 Monate vorgesehen, stehen in keinem tragfähigen Verhältnis zu dem allenfalls kleinen Nutzen des Projektes. Laut Erläuterungsbericht bringt das Projekt zweite S-Bahn-Röhre in den Bereichen um die Rettungsschächte, den Haltepunkt Ostbahnhof und die Gleisanlagen zwischen der Berg-am-Laim-Straße und dem Leuchtenbergring punktuell „erhebliche Beeinträchtigungen der Schutzgüter Menschen, Pflanzen und Tiere, Klima und Luft sowie Landschaft und Stadtbild“.
Die bisherige Stammstrecke ist nicht Engpass im Hinblick auf die Fahrgastzahlen (der Einsatz von mehr Langzügen zur Hauptverkehrszeit wäre schon wünschenswert) sondern auf die Zugzahlen. Dichtere Takte auf den „Mittel-“ und Außenästen bei gleichzeitiger Durchbindung und Verknüpfung ließen sich jedoch weitaus kostengünstiger und mit größerem verkehrlichen Nutzen mit dem Ausbau des Bahn-Südrings erst einmal für sechs Züge je Stunde und Richtung erreichen.
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Nicole Gohlke (DIE LINKE), Mitglied des Bundestages, Sprecherin der Bayerischen Landesgruppe
Ich lehne den Bau eines zweiten S-Bahntunnels als verkehrspolitisch unsinniges Projekt ab, weil es mit
dem Südringausbau eine in der Sache nützlichere und gleichzeitig kostengünstigere Alternative gibt. Die
veranschlagten Kosten von 2 Mrd. Euro für den zweiten S-Bahn-Tunnel gehen in jedem Fall auf Kosten
von dringlicheren Projekten, die dann auf die lange Bank geschoben werden müssen. Dazu zählt der
viergleisige Ausbau der Münchner Außenäste, auf denen sich S-Bahn-, Regional-, Fern- und Güterverkehr
zwei Gleise teilen müssen. Ein solcher Ausbau ist noch wichtiger als die Entlastung der bestehenden
Stammstrecke, weil auf dieser nur unter 10% der Störfälle auftreten und die Kapazität des Tunnels noch
keineswegs ausgeschöpft ist.
Deshalb lehne ich den zweiten S-Bahn-Tunnel gemeinsam mit meinen
Münchner Parteifreunden ab; zur Entlastung der Stammstrecke (nicht nur im Störungsfall) befürworte
ich stattdessen nicht nur eine Verlängerung der U5 von Laim nach Pasing, sondern auch ein
zukunftsfähiges Bahnkonzept für den RaumMünchen auf der Basis des bestehenden Eisenbahn-
Südrings. Ein Teilausbau des Südrings mit drei überirdischen Stationen Heimeranstraße, Poccistraße und
Kapuzinerstraße schafft – im Gegensatz zur Tunnelvariante – zusätzliche Direktverbindungen und
Umsteigemöglichkeiten zwischen S- und U-Bahn, erschließt erstmals die Stadtteile Westend, Sendling
und Au sowiemehrere zukunftsträchtige städtebauliche Entwicklungsflächen und wird einem
polyzentrischen Entwicklungskonzept weitaus eher gerecht.
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